6.6 Näherung für quasigebundene Elektronen („tight binding“)

Es liegen atomare Wellenfunktionen mit einem schwachen Überlapp vor. Die Diskussion dieses Problems funktioniert ähnlich wie bei der kovalenten Bindung. Damals hatten wir das LCAO-Modell (linear combination of atomic orbitals) betrachtet. Wir nehmen also an, daß das atomare Problem gelöst sei:

HA  = fi = Eifi

In einem Kristall wollen wir die Einelektronen-Näherung durchführen. Wir betrachten ein Elektron m im Gesamtpotential V = V a + v.

PIC

H  = H  + v = - h2- /_\  + V (r- m) + v(r- m) mit v(r - m =  sum  V (r- n)
      A        2m      A                              n/=m  A

Hierbei handelt es sich um eine Summe über alle anderen Atome. Zu lösen ist dann das Eigenwertproblem:

Hyk(r) = Ekyk(r)

yk(r) müssen bekanntlich wieder Bloch-Wellen sein. Die Energie-Eigenwerte, wenn wir die Wellenfunktion yk kennen, können berechnet werden durch:

      integral   *
       y kHyk dr
Ek = - integral --------
        y*kykdr

Die Idee ist nun wieder das Ritzsche Variationsverfahren mit einer Versuchsfunktion fk. Dann muß gelten:

      integral 
        f*kHfk dr
Ek < - integral --------
        f*kfkdr

Ek kann als Minimum angenähert werden durch Variation von eben dieser Versuchsfunktion f. Versuch: f sei eine lineare Überlagerung der Atomwellenfunktionen f(r -m), wobei wir die Vektorpfeile wieder weglassen wollen:

          sum 
yk  ~~  fk =  amf(r - m)
          m

An dieser Stelle nützen wir nun aus, daß es sich um eine Blochwelle handelt, da ja ein periodisches Gitter vorliegt. Diese Bloch-Welle muß aus einer gitterperiodischen Modulation und einen Phasenfaktor (Wellenanteil) bestehen. Der gitterperiodische Anteil muß hierbei in der Summe über die f stecken und der Phasenfaktor in den am. Wir schreiben also die Versuchsfunktion auf als:

      sum 
fk =    exp(ikm) .f(r- m)
     m

Damit können näherungsweise die Energiewerte Ek berechnet werden.

Wir betrachten f als lineare Überlagerung der Atomwellenfunktionen f(r -m).

      sum 
fk =    amf(r - m)
      m

Dies muß eine Blochwelle (=gitterperiodische Modulation × Phasenfaktor), also verwenden wir die Versuchsfunktion:

     sum 
fk = m exp(ikm)f(r - m)

Jetzt berechnen wir Ek näherungsweise. Dazu berechnen wir den Nenner des Bruches:

 integral                            integral 
   f*fkd3r =  sum  exp(ik(m -n))   f*(r - m)f(r- m) d3r
    k       m,n              ---------- ----------
                                klein, außer f¨ur m=n

Bei starker Lokalisierung sind nur Glieder mit m = n wichtig und daher kann folgende Näherung benutzen:

 sum                integral                      sum   integral 
   exp(ik(m - n))  f*(r-m)f(r -m) d3r  ~~       f*(r-m)f(r -m) d3r = N
m,n                                    m

Damit erhalten wir:

         sum                integral 
Ek  ~~  1-   exp(ik(m - n))  f*i(r- n)[HA + v(r- m)]fi(r- m) d3r
      N m,n

i ist der Index der atomaren Wellenfunktion. Wendet man HA auf die linke komplex konjugierte Wellenfunktion f*(r - m) an, so erhält man die atomaren Eigenwerte Ei für m = n. Wir spalten das ganze in zwei Anteile Ai und Bi auf:

       integral 
A = -   ff* (r -m)v(r - m)f (r- m) d3r
 i         i               i

Hierbei handelt es sich um die Energieabsenkung mit Bezugselektron m aufgrund von v.

         integral  *                       3
Bn,i = -  fi(r- n)v(r- m)fi(r- m) d r >< 0

Dies ist ein Überlappintegral vom Bezugselektron m mit Nachbarn n. Durch Summation über m ergibt sich jeweils ein Faktor N:

                sum 
Ek,i  ~~  Ei- Ai -   Bni exp(ik(m -n))
                n

Pni beschreibt die Geometrie der Umgebung (Gitterstruktur). Die Summe über die nächsten Nachbarn ist hierbei meist ausreichend. Als Beispiel betrachten wir den einfachsten Fall, nämlich daß f kugelsymmetrisch ist. Wir betrachten nur die nächsten Nachbarn eines kubisch primitiven Gitters. Dieses besitzt genau 6 nächste Nachbarn:

m - n = (± a,0,0), (0,±a,0) und (0,0,± a)

E   = E - A  -2B  [cos(k a)+ cos(k a)+ cos(k a)]
 k,i   i    i    i     x        y        z

PIC

Ai beschreibt die globale Energieabsenkung. Der Bandindex Bi bestimmt die Breite des Bandes. Ai und Bi hängen im allgemeinen von i ab. Betrachten wir Ek bei k = 0:

Ek = Ei- Ai- 6Bi + Bia2

Bei k = p
a gilt:

                       2(   p )2
Ek = Ei - Ai + 6Bi -Bia  k- a-

Vergleiche dies mit E =  22
h2mk- beim freien Elektron. Die effektive Masse mi* = ±2hB2a2-
  i kann sehr verschieden von m0 sein. Als Beispiel kann man hier den Ionenkristall K+Cl- anführen. Hier ist der Überlapp klein, weshalb somit die Bänder schmal sind. Bei kleinem Überlapp ist auch der Faktor Bi klein und damit wird auch die Breite der Oszillationen klein.

Bei kovalenten Bindungen, wie diese beispielsweise im Diamant auftreten, entstehen aus s- und p-Orbitalen sogenannte sp3-Hybride (im Festkörper). Bei 4 Elektronen pro Atom im Valenzband erhält man ELücke  ~~ 1eV für Si und etwa 5eV für C.